griechische Kolonisation: Polis

griechische Kolonisation: Polis
griechische Kolonisation: Polis
 
In den als »Übergangszeit« oder »dark ages« bezeichneten Jahrhunderten, die auf die Wanderbewegungen griechischer Stämme im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. folgten, hatte sich die für die Zukunft grundlegende ethnische Struktur Griechenlands mit den Stämmen und Dialekten der Äolier, Ionier und Dorer herausgebildet. Auch eine gemeinsame Religion und ein gemeinsamer Mythos, der zunächst mündlich tradiert wurde, entstanden. Der Beginn der sich anschließenden »archaischen Zeit« (ca. 800-500) war im Wesentlichen bestimmt durch das Entstehen der griechischen Literatur, den Übergang von der Königs- zur Adelsherrschaft, die Entwicklung der Polis und die griechische Kolonisation.
 
Konstitutiv für das Phänomen der Polis (»Stadtstaat«; Mehrzahl: Poleis) war die Verbindung von städtischer Siedlung und agrarischem Umland, staatliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit nach außen (Eleuthería, Autarkía) und die innere Struktur der Polis, die als Personenverband der Bürger eine politische, wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Lebensgemeinschaft darstellte. Die städtische Siedlung der Polis bildete sich in der Regel um eine befestigte Anhöhe (Akrópolis), häufig auf ehemals mykenischen Siedlungsplätzen.
 
Ursachen und Verlauf der Polisentstehung bleiben im Dunkeln; die geographische Zerrissenheit Griechenlands reicht als Erklärung nicht aus. Der früheste inschriftliche Beleg einer Polisverfassung fällt ins 7. Jahrhundert, der sicherste chronologische Anhaltspunkt ist jedoch die um 800 einsetzende griechische Kolonisation, die die Existenz der Polis voraussetzt: Zum einen gingen die Koloniegründungen von den jeweiligen Mutterstädten (Metropoleis) aus, zum anderen waren die Kolonien von Beginn an Poleis, meist nach dem Vorbild der Mutterstädte organisiert, von denen sie aber unabhängig waren.
 
Die wichtigste Ursache der Kolonisation stellten Übervölkerung und Landnot im griechischen Mutterland dar, daneben spielten Handelsinteressen, konkret der Erwerb von Rohstoffen (Metall) eine Rolle. Die räumliche Ausdehnung der Kolonisation, Ägäis, nordwestliches Mittelmeer und Schwarzes Meer, war durch politische Gegebenheiten bedingt. Das assyrische Großreich, die Etrusker und die Seemacht Karthago entzogen weite Küstengebiete den griechischen Landnahmeversuchen. An der um 750 einsetzenden Kolonisation Süditaliens (»Großgriechenland«) und Siziliens, der französischen und spanischen Küste waren nahezu alle griechischen Stämme beteiligt. Im 7. und 6. Jahrhundert wurden die Nordägäis und die Schwarzmeerküste besiedelt: Chalkis kolonisierte die nach der Mutterstadt benannte Halbinsel Chalkidike, rund um das Marmarameer entstanden aiolische, korinthische, phokaiische und milesische Niederlassungen; vom ionischen Milet ging ferner die Besiedlung der Küsten des Schwarzen Meeres aus. Die Kolonisation milderte nicht nur die Überbevölkerung des Mutterlandes und führte zu Intensivierung von Handel und Gewerbe, sie vermittelte den Griechen darüber hinaus durch den Kontakt mit fremden Kulturen ein verändertes Weltbild und ein neues Gemeinschaftsbewusstsein.

Universal-Lexikon. 2012.

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